In den Dörfern rund um Chur gab es lange Zeit keine organisierte Abfallentsorgung. Die Altlasten finden sich noch heute in Wäldern und auf Halden.

„Ich weiss jetzt, wer das gemacht hat“, sagt der Junge auf dem Transporter, der seit einer Stunde auf der Ladefläche steht und Müll stapelt mit gerunzelter Stirn. Seit wir beim kleinen Waldstück in Araschgen, das neu zu unserem Pachtland gehört, angekommen sind, scheint ihn diese Frage zu beschäftigen. Und nicht nur ihn. „Wer tut sowas, Flavia?“ Fragen mich die Kinder der Wilden Waldbande. Und: „Warum liegen diese Sachen hier? Warum hat das vor uns noch niemand weggebracht? Warum musst du das aufräumen?“

Die Wilde Waldbande ist eine Gruppe von Kindern, die sich jeweils samstags trifft, um die Natur hautnah zu erleben – diesmal oberhalb von unserem Landwirtschafts-Betrieb, dem Bio Hof Hilarien, am Stadtrand von Chur. Dreizehn Kinder, 26 Hände, packen mit an. „Littering nennt sich das“, weiss der Junge neben mir und deutet auf den Müll im Wäldchen. „Und das ist eigentlich verboten“, ergänze ich. „Warum rufst du dann nicht die Polizei?“ fragt ein anderer. „Das ist kompliziert“, erkläre ich den Kindern, und dass ich als Bäuerin ja auch auf das Land angewiesen bin. Dass der Verpächter es uns wieder wegnehmen kann. „Ausserdem hat der Landwirt vor uns schon nichts weggeräumt.“ Würden wir es also melden, bekäme er vielleicht Ärger. „Deshalb räumen wir jetzt auf und schimpfen nachher“, sage ich augenzwinkernd. Ich erkläre aber auch, dass mir ein älterer Herr gesagt hat, dass es früher eben keine Kehrichtabfuhr gegeben habe im Dorf und auch deshalb Deponien entstanden seien.

„Hey, eine Socke“, ruft ein Kind von weiter oben, „und noch ein Zelt!“ ein anderes, „schon das vierte Zelt!“ Ich erzähle die Geschichte von Pippi Langstrumpf und wie sie als Sachensucherin unterwegs sogar einmal einen Mann fand, der im Gras lag. Wir finden Parkbänke, Gartenstühle, Scheren, Porzellan, Sägen und ein Vogelhaus, eine Leiter, die wir zum Äpfel pflücken im Herbst brauchen können. Immer wieder ist´s ein Gejohle und ein Gstürm: „Darf ich das nach Hause nehmen? Ou, ein Knochen! Der erste Knochen, den ich finde.“ Und ein nächster: „Was? Du hast noch nie einen Knochen gefunden?“ „Pfui Teufel!“ ruft ein drittes Kind. Selten sind zweieinhalb Stunden Aufräumarbeit so schwupp vorbeigezogen. 25 Stunden hätte eine Person alleine dafür gebraucht, rechnen wir aus. Abgesehen von 20 Rappen finden wir leider keinen Schatz. Immerhin, den Grümpel dürfen wir im Werkhof der Stadt entsorgen. „Dieser Tag wird den Kindern noch lange in Erinnerung bleiben“, findet Olivia, Leiterin der Wilden Waldbande, zum Schluss. „Wegweisend, wenn man bedenkt, was auf diese Generation an Aufräumarbeiten noch zukommt.“

Flavia Brüesch